Aus Sicht des Völkerrechts sind private Unternehmen seltsame Gebilde. Einerseits sind sie
juristische Personen und insoweit strukturell Staaten teilweise nicht unähnlich. Auf der anderen
Seite sind sie Kreaturen des nationalen Rechts. Die klassische Völkerrechtsdoktrin ordnet sie
daher unter der sehr weiten und diversen Kategorie der nicht-staatlichen Akteure ein: Sie sind
jedenfalls keine originären Völkerrechtssubjekte und damit aus Sicht der traditionellen
Rechtsquellenlehre nicht an der Setzung und Änderung völkerrechtlicher Normen beteiligt.

Tatsächlich gestalten private Unternehmen jedoch in umfangreicher und intensiver Weise
sowohl die Völkerrechtsordnung als auch einzelne völkerrechtlicher Regeln und Prinzipien mit.
Sei es beim Klimaschutz, in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen, im bewaffneten
Konflikt, bei der Ausbeutung des Tiefseebodens oder durch Plattformregulierung in sozialen
Netzwerken, um nur einige wenige Beispiel zu nennen – Unternehmen gestalten nicht nur
vielfältig reale Lebensbereiche, sie tun dies durch umfangreiche Einflussnahme auf
völkerrechtliche Normen. All dies ist indessen keine neue Entwicklung. Bereits die Trading
Companies des 17.-19. Jahrhunderts, wie die English East India und Dutch East India
Companies, spielten beispielsweise eine wichtige – wenn auch nicht unproblematische – Rolle
bei der Entwicklung des modernen Völkerrechts. Sie befehligten Armeen, beherrschten Gebiete
und schlossen völkerrechtliche Verträge mit Staaten und untereinander ab. Auch in der
Gegenwart ist der Einfluss insbesondere großer, global operierender Unternehmen auf das
Völkerrecht beachtlich. Der Begriff des Einflusses wird dabei weit verstanden und betrifft
sowohl die Setzung und Interpretation völkerrechtlicher Normen durch Unternehmen als auch
die indirekte Beeinflussung, einschließlich nationaler und internationaler Initiativen zur
Einhegung unternehmerischen Einflusses wie beispielsweise die Diskussion um
Menschenrechtspflichten für Unternehmen.

Dieses Seminar soll in diesem weit verstandenen Sinne der Rolle und Bedeutung privater
Unternehmen im und ihren Einfluss auf das Völkerrecht einer genaueren Betrachtung
unterziehen. Es nimmt damit Unternehmen als Akteure der Gestaltung völkerrechtlicher
Normen in den Blick. In einem ersten Teil werden sich Referate mit den historischen und
theoretischen Grundlagen der Rolle von Unternehmen im Völkerrecht beschäftigen (I.). Die
sich daran anschließenden Referate widmen sich einzelnen Teilgebieten des Völkerrechts und
inwiefern Unternehmen diese beeinflussen: Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht (II.),
internationales Investitionsrecht (III.), Umwelt-, Klima- und Seevölkerrecht (IV.) sowie
Technologie und Völkerrecht (V.).

Die Hausarbeit ist, soweit nicht anders mit der:dem Aufgabensteller:in vereinbart, in deutscher
Sprache abzufassen und als Druckversion und in elektronischer Form abzugeben. Die Arbeit
ist mit 7 cm Rand rechts zu versehen und 1 ½-zeilig in Schriftgröße 12 (Times New Roman)
abzufassen (Fußnoten: Schriftgröße 10). Die Arbeit darf einen Umfang von 8.000 Wörtern
(inkl. Fußnoten) nicht überschreiten.

Zu Beginn des Wintersemesters gibt es eine Vorbesprechung, bei der sich die Interessentinnen
und Interessenten verbindlich anmelden müssen. Der Termin wird rechtzeitig bekannt geben.
Das Seminar wird als Blockveranstaltung voraussichtlich im Januar 2025 stattfinden. Die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten rechtzeitig über das genaue Datum Bescheid.

Termine: Vorbesprechung findet am Mittwoch, den 23.10.2024 im großen Dekanatssaal Raum 03-150 statt

Seminar findet am Freitag, den 17.01.2025 im Raum HS 13 statt

Themenliste:

  • Geschichte und Theorie
    1. Die Entstehung der Korporation im römischen und kanonischen Recht und ihr Einfluss auf die Entwicklung der Theorie der juristischen Person
    2. Die Trading Companies und Souveränitätskonzepte im Völkerrecht vom 17. bis zum 19. Jahrhundert
    3. The not so gentle colonializer: Die Rolle der English East India Company bei der englischen Kolonialisierung in Asien und Ozeanien
    4. Rechtssubjekt, Teilnehmer or something else? Der Rechtsstatus von Unternehmen im Völkerrecht
    5. Staat und Unternehmen: Zwei Formen juristischer Personen oder etwas fundamental Anderes? Möglichkeiten und Grenzen der Analogiebildung aus der Perspektive des nationalen und des Völkerrechts
    6. Unternehmerischer Einfluss auf das Völkerrecht – Herausforderungen demokratischer Legitimität und Legitimation völkerrechtlicher Normsetzung
  • Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht
    1. Umfang und Grenzen des Menschenrechtsschutzes von Unternehmen
    2. „Land grabbing“ durch globale Unternehmen und internationaler Menschenrechtsschutz
    3. Private Militärfirmen und humanitäres Völkerrecht: Unternehmerische Pflichten und Staatenverantwortlichkeit
  • Internationales Investitionsrecht
    1. Das internationale Investitionsrecht: unternehmerischer Neokolonialismus?
    2. Konzerne, Umwandlungen der Gesellschaftsstruktur und Forum Shopping im internationalen Investitionsrecht
    3. 50 Jahre nach Barcelona Traction: Welchen Einfluss hat die Praxis internationaler Investitionsschiedsgerichte auf die Bestimmung der Nationalität von Unternehmen im allgemeinen Völkerrecht?
  • Umwelt-, Klima- und Seevölkerrecht
    1. Völkerrechtliche Einordnung der Klimaschutzklagen gegen Unternehmen vor nationalen Gerichten
    2. Das Gutachten des Internationalen Seegerichtshofs vom 21. Mai 2024 zu Klimawandel und Völkerrecht: Konsequenzen und Implikationen für Rechte und Pflichten von Staaten und Unternehmen im Umwelt-, Klima- und Seevölkerrecht
    3. Erforschung und Ausbeutung des Tiefseebodens durch private Unternehmen: Die Rechtsnatur der Verträge mit der Internationalen Meeresbehörde und die mit ihnen verbundenen völkerrechtlichen Pflichten der Unternehmen
  • Technologie und Völkerrecht
    1. Die Regulierung des Internets zwischen privater Kontrolle und staatlicher Souveränität – eine Einschätzung aus der Sicht des internationalen öffentlichen Rechts
    2. Die Bewertung der bisherigen Entscheidungen des Facebook Oversight Board vor dem Hintergrund der Praxis des Menschenrechtsausschusses zu Art. 19 IPbpR
    3. Genome Editing und die Rolle von Unternehmen bei der Entwicklung und Gestaltung seiner internationalen Regulierung